Ich verfolge die Diskussion über die (geplante) EU-Urheberrechtsreform seit einiger Zeit und nun hat sie eine entscheidende Hürde genommen. Überrascht bin ich weiterhin, mit wie viel Ahnungslosigkeit die EU-Bürokratie an eine solch wichtige Thematik herangeht. Mir scheint, dass ein Verständnis über das Internet im Jahre 2019 nicht überall gleich ausgeprägt ist.
Aber der Reihe nach…
Die Einführung scharfer Upload-Filter und des Leistungsschutzrechts in der EU sind wahrscheinlicher geworden. Die EU-Unterhändler haben sich laut dieser Mitteilung der Europäischen Kommission bei allen Punkten der geplanten EU-Urheberrechtsreform geeinigt. Ziel der Reform ist es, die Regelungen für das Urheberrecht “fit für die digitale Ära” zu machen, wie es in der Mitteilung der EU-Kommission heißt.
Artikel 13: Upload-Filter
Die EU-Urheberrechtsreform sieht gemäß Artikel 13 die Einführung von Upload-Filtern vor, um die Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken zu verhindern. Upload-Filter überprüfen vor dem Upload von Inhalten durch die Nutzer, ob diese Inhalte geschützt sind oder nicht. Kritiker verweisen darauf, dass solche Upload-Filter Fehler machen können oder eventuell auch Inhalte versehentlich blockieren, obwohl es sich beispielsweise um Parodien handelt.
Beim Artikel 13 setzte sich die zuletzt von Deutschland und Frankreich erzielte Einigung bei der Artikel-13-Regelung durch, laut der die Einführung von Upload-Filtern für alle Plattformen gelten soll, die profitorientiert sind. Ausnahmen soll es nur geben, wenn bei Plattformen alle drei folgenden Kriterien zutreffen: Die Plattform ist jünger als 3 Jahre, hat einen Umsatz von weniger als 10 Millionen Euro und hat weniger als 5 Millionen Nutzer pro Monat.
Damit wären weit mehr Internet-Angebote von der Einführung eines Upload-Filters betroffen als lange befürchtet worden war.
Kritiker verweisen darauf, dass Upload-Filter einer Zensur im Internet gleichkommen. So werde quasi mit einer Kanone (Upload-Filter) auf Spatzen (mögliche Urheberrechtsverletzungen) geschossen und dabei auch in Kauf genommen, dass mehr geblockt wird als eigentlich müsste. Da wird mit einem Kanonenschuss also mal gleich ein ganzer Wald vernichtet…
Hinzu kommt, dass die Implementierung von Upload-Filtern Kosten verursacht, die sich nicht jeder leisten kann. Der Vielfalt des Internets droht eine merkliche Störung. Und dies, obwohl es im Internet viele andere Fronten gibt, um die man sich eher in Politik und Gesellschaft kümmern müsste. Etwa Hass im Internet, Mobbing, Datenschutz, etc…
Meine Meinung zum geplanten Artikel 13: Es ist nicht verständlich, wie man sich auf Upload-Filter einigen kann, ohne deren technische Durchführbarkeit vorab überprüft zu haben und garantieren zu können. Auf Betreiber von Diensten und Websites kommen ungewisse Kosten zu.
Es droht ein Zustand, bei dem lieber zunächst alles generell gesperrt wird als ein finanzielles Risiko einzugehen. Böse erwischt es, sollte es denn so entschieden werden, vor allem kleinere Plattformen, wo etwa eine Schar von Nutzern seit Jahren über Nischenthemen redet und bei denen es vielleicht ohnehin noch nie Probleme mit Urheberrechtsverletzungen gab. Auf größeren Plattformen, wie Youtube & Co., kommen ohnehin schon Content-Filter zum Einsatz, bei denen Rechteinhaber vorab ihre Rechte in Anspruch nehmen können.
Bei Upload-Filtern werden einfach zunächst alle Inhalte schon beim Upload unter Generalverdacht gestellt…
Vielleicht wäre es mal sinnvoller, sich Gedanken über eine Aktualisierung des Begriffs und Inhalts von Urheberrecht an sich zu machen. Was bedeutet Urheberrecht im Jahr 2019? Wie hat sich Urheberrecht im Laufe der vergangenen Jahrzehnte aufgrund der technischen Entwicklung verändert?
Und Upload-Filter hin oder her: Wer sich mit den (vielleicht irgendwann) geltenden EU-Regeln nicht zufriedengeben will, sperrt sein Angebot einfach hierzulande. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass man dann innerhalb der EU nicht mehr auf die Inhalte zugreifen kann. Noch nie was von VPN gehört? Oder wollen wir es wie Russland machen und uns vom globalen Internet abkapseln…
Artikel 11: Leistungsschutzrecht, das (fast) keiner will und braucht
Das Leistungsschutzrecht (Artikel 11) betrifft vor allem Suchmaschinen und dort insbesondere Dienste wie Google News. Die Verlage sollen damit an den Werbeeinnahmen beteiligt werden, die Google & Co. bei Nutzung von Texten der Verlage erhalten. Im August 2013 trat in Deutschland das Leistungsschutzrecht in Kraft, führte aber in der Praxis kaum zu Veränderungen.
Das könnte sich mit einer EU-weiten Lösung ändern, auch wenn Kritiker dies bezweifeln und sich wohl auch in Deutschland kaum was ändern wird. Google weigert sich ohnehin vehement, Geld an die Verlage für die sogenannten Snippets zu zahlen. In Deutschland berücksichtigt Google einfach nur Angebote von Verlagen, die der kostenlosen Nutzung der Snippets zugestimmt haben. Wer nicht zustimmt, muss mit massiven Traffic-Einbußen wegen fehlender Google-Nutzer leben, was auf Dauer kaum möglich ist.
Die EU-weite Regelung für das Leistungsschutzrecht gibt allen Ländern in der EU eine Grundlage für eigene nationale Gesetze zu diesem Thema. Dazu haben sie dann 24 Monate Zeit, um aus der Vorgabe ein gültiges nationales Recht zu formulieren.
Genauer betrachtet hat sich die EU aber bei der nun getroffenen Einigung zum Leistungsschutzrecht nicht mit Ruhm bekleckert und erweckt den Eindruck, als würde sie sich mit dem Internet überhaupt nicht auskennen. In der nun finalen Regelung ist nämlich vorgesehen, dass Suchmaschinen wie Google nur noch einzelne Wörter und kurze Passagen aus Artikeln veröffentlichen und auf die Quellen verlinken dürfen. Nicht gestattet ist die Verwendung ganzer Wörter oder von Überschriften. Unklar ist, wie Nutzer dann darauf kommen sollen, worum es in einem von Google dargestellten Inhalt gehen soll. Wie lächerlich das Ganze ist, demonstrierte Google selbst im Januar 2019 den europäischen Nutzern und “testete” eine extrem zensierte Suchergebnis-Seite.
Für den Extremfall hatte Google in den vergangenen Monaten und Wochen mehrfach mit der Schließung des Dienstes Google News in Europa gedroht. Abzuwarten bleibt also, wie Google nun reagieren wird. In Spanien hatte Google seinen Dienst Google News nach dem Streit mit spanischen Verlagen einfach dichtgemacht.
Meine Position zu Artikel 11 bleibt dagegen unverändert: Aus meiner Sicht ist es unproblematisch, wenn Google kurze Passagen und die Überschriften aus unseren Artikeln verwendet und dann auf den betreffenden Artikel verweist. Das sind auch die Informationen, die wir ohnehin kostenfrei etwa über unsere RSS-Feeds bereitstellen. Die aktuelle Lösung bei Google News finde ich und letztendlich auch wir als Verlag also in Ordnung und bedarf aus unserer Sicht keiner Änderung.
Problematischer sehen wir dagegen den zunehmenden Trend bei Google, verstärkt mittels fremder Inhalte die Fragen von Nutzern direkt auf der Google-Suchergebnis-Site zu beantworten, wodurch uns – also den Verlagen, die für die Erstellung der Inhalte Geld ausgegeben haben – Einnahmen verlorengehen. Zwar wird die Quelle der Informationen angegeben, allerdings ist kaum davon auszugehen, dass ein Google-Nutzer noch auf den Link klickt, wenn ihm seine Frage schon vollständig beantwortet wurde.
EU-Urheberrechtsreform: So geht´s jetzt weiter
In den nächsten Wochen werden nun die Abgeordneten des Europa-Parlaments und auch die Mitglieder der EU-Staaten über die EU-Urheberrechtsreform abstimmen. Erst wenn die Reform beide Hürden genommen hat, haben die EU-Mitgliedsstaaten dann 24 Monate Zeit, die neuen Regelungen in ihr nationales Recht zu übernehmen.
Insbesondere bei der Entscheidung des Europa-Parlaments könnte es aber spannend werden. Vor allem aus den Reihen der Abgeordneten gab es in der Vergangenheit viel Kritik an den Plänen. Zudem stehen bald EU-Wahlen an und die Abgeordneten wollen auch wieder gewählt werden. Noch ist also nichts entschieden und auch der neue Plan für die Urheberrechtsreform könnte noch scheitern…
Hier bleibt es bei der Anregung, die schon seit langer Zeit gilt: Gehen Sie auf Ihren EU-Abgeordneten zu, es gibt immer wieder gute Gelegenheiten, ihn oder sie zu treffen oder ihm oder ihr eine Mail zu schreiben. Und versuchen Sie, mit ihm oder ihr sachlich über die Pläne zur geplanten EU-Urheberrechtsreform zu diskutieren. Vielleicht sorgt dies für ein Umdenken und ein erneutes Nachdenken über die eigene Position.
Aber das ist ja nur meine Meinung…
Ihr Panagiotis Kolokythas
stellv. Chefredakteur, PC-WELT Online
Ich freue mich, Ihre Meinung zu diesem Thema zu hören…