Turnusgemäße halbjährliche Zwischenversionen richten sich in erster Linie an Ubuntu-Fans, die keinen Schritt auslassen möchten: Wichtig sind diese ferner für Käufer neuer Hardware, die eine möglichst aktuelle Treiberausstattung benötigen. Dafür sorgt die aktualisierte Kernel-Version. Denn auf der anderen Seite erhalten Zwischenversionen nur die typischen neun Monate Support, in diesem Fall also nur bis Januar 2020. Ubuntu 19.04 kann aber, wie alle Zwischenversionen, auf den jeweiligen Nachfolger aktualisiert werden – also auf Version 19.10 im Herbst diesen Jahres (siehe Kasten „Das Upgrade von Zwischenversionen“).
Das alles sind Ubuntu-Standards, die seit Jahren gelten und die Zwischenversionen attraktiver machen, insofern sie nicht als kurzlebige Sackgassen enden. Dennoch ist Version 19.04 („Disco Dingo“) eher ein System für Ubuntu-Fans mit bald anstehenden Upgradepflichten. Für Serverinstallationen und Desktopeinsteiger bleibt die Langzeitversion 18.04 erste Wahl. Wer Ubuntu 19.04 testen oder installieren möchte, findet auf der Heft-DVD die Livesysteme mit Installationsoption folgender Varianten:
- Ubuntu 19.04:Standardedition mit Gnome-Desktop (64 Bit)
- Xubuntu 19.04:Edition mit XFCE-Desktop (64 Bit)
- Lubuntu 19.04: Edition mit LXQT-Desktop (64 Bit)
Die weiteren Ubuntu-„Flavours“ mit KDE (Kubuntu), Mate und Budgie gibt es auf den jeweiligen Projektseiten zum Download – alle drei mit annähernd je zwei GB Umfang. Die Spezialeditionen Kylin und Studio bleiben hier unberücksichtigt.
Lesetipp: Diese Ubuntu-Linux-Varianten gibt es: Server, Desktop, IoT
Änderungen in allen Ubuntu-Varianten
Linux-Kernel 5.0: Alle Varianten von Ubuntu 19.04 basieren auf dem aktuellen Linux-Kernel 5.0. Dieser erhält Unterstützung für die Prozessorgeneration Ryzen 2 und Epyc 2, die AMD ganz aktuell im Frühjahr 2019 auf den Markt bringt.
Für AMD-Grafiktreiber gibt es mit Freesync eine bemerkenswerte Neuerung, die besonders flüssige 3D-Grafiken ermöglicht. Die dafür notwendige Grafikbibliothek Mesa in Version 19 ist bei Ubuntu 19.04 ebenfalls an Bord.
Das Dateisystem BTRFS kann mit Kernel 5.0 Swapdateien nutzen, welche Ubuntu seit etlichen Versionen anstelle von Swappartitionen verwendet. Standarddateisystem bleibt aber unter Ubuntu 19.04 weiterhin das bewährte Ext4.
Herstellertreiber: Die Installationsoption, „Software von Drittanbietern“ schon beim Setup herunterzuladen, erhält neues Gewicht: Diese Option war stets zu empfehlen, um proprietäre Codecs und Treiber aus dem Internet nachzuladen, die das Ubuntu-Image aus lizenzrechtlichen Gründen nicht mitliefern darf. Auf diese Weise geladene Grafiktreiber mussten bislang trotzdem im fertig installierten System unter „Software & Aktualisierungen –› Zusätzliche Treiber“ explizit gesucht und damit eingerichtet werden. Dieser Schritt entfällt ab Version 19.04 in allen Ubuntu-Varianten – mit Ausnahme von Lubuntu.
Wayland: Beim Umstieg vom alten X11- Displayserver (Xorg) zum neuen Wayland kommt Ubuntu 19.04 nicht entscheidend voran. Von allen Varianten nutzt lediglich die Hauptversion mit Gnome den neuen Wayland-Grafikserver, und das auch nur optional: Hier kann der Benutzer über das Zahnrad neben der „Anmelden“-Schaltfläche zwischen „Ubuntu“ und „Ubuntu mit Wayland“ wählen. Wayland verspricht schnellere Grafikdarstellung und flüssigere Videos, weil es den Weg auf den Bildschirm verkürzt. Der Compositor, den die Desktopumgebung stellt, kommuniziert hier direkt mit Wayland. Aktuell ist aber nur der Gnome-Desktop so weit, Wayland für Produktivsysteme anzubieten.
Unter Wayland gibt es nach wie vor Einschränkungen: So ist die Anzeige grafischer Programme über das Netzwerk via SSH noch nicht möglich (X11-Forwarding). Tools wie xprop (Fenstereigenschaften), xkill (Fensterkiller) oder scrot (Bildschirmfoto) arbeiten unter Wayland nicht erwartungsgemäß, Screenshots mit Gnome-eigenen Programmen wie gnome-screenshot funktionieren hingegen. Auch die beliebten Gnome-Erweiterungen laufen nicht unter Wayland.
Livepatches: Den Service der „Livepatches“ bietet Canonical nun schon seit Version 16.04. Unter Version 18.10 hat er erstmals Eingang in die grafische Oberfläche unter „Anwendungen & Aktualisierungen“ gefunden. Unter Version 19.04 erhält er nun sogar seinen eigenen Menüpunkt „Livepatch“ in der Kategorie „Einstellungen“. Dies ist aber nur als frühe Vorbereitung für die nächste LTS-Version 20.04 zu interpretieren, denn Zwischenversionen wie 19.04 erhalten gar keine Livepatches.
Zum Hintergrund: Motiv für diese Technik sind sicherheitsrelevante Kernel-Patches, die eigentlich einen Neustart benötigten. Livepatches stopfen die Sicherheitslücken vorläufig im laufenden Betrieb, so dass störende Neustarts verschoben werden können. Es handelt sich um einen Service für Server im Dauerbetrieb. Auf PCs und Notebooks, die jeden Tag neu gestartet werden, sind die Livepatches irrelevant. Außerdem ist dafür ein Konto bei Canonicals „Ubuntu One“ erforderlich.
Aktuelle Software: Neben neueren Standardbibliotheken insbesondere für Programmierumgebungen ist auch die mitgelieferte Software wieder auf dem aktuellen Stand. So meldet Libre Office Version 6.2.2.2, der VLC Mediaplayer 3.0.6. Der Umfang der vorinstallierten Software unterscheidet sich bekanntlich in jeder Ubuntu-Variante und kann außerdem durch die relativ neue Installationsoption „Minimale Installation“ erheblich reduziert sein. Die Software liegt dann aber in aktueller Version in den Paketquellen vor. Browser Firefox und Mailclient Thunderbird sind in dieser Hinsicht bekanntlich nicht kritisch, da sie sich laufend aktualisieren.
Nur noch 64-Bit-Ubuntu: Inzwischen haben sich auch Xubuntu und Lubuntu als die letztverbliebenen Kandidaten von 32 Bit verabschiedet. Ab Version 19.04 gibt es sämtliche Ubuntus nur noch in 64 Bit. Wer auf 32 Bit besteht, muss auf die ältere LTS-Version 18.04 zurückgreifen, die für Xubuntu und Lubuntu noch in 32 Bit zu finden ist. Diese werden noch bis April 2021 mit Updates versorgt. Spätestens 2021 ist dann endgültig Schluss mit 32-Bit-Ubuntu.
Installer Ubiquity oder Calamares: Beim Installer gehen die Ubuntu-Varianten inzwischen verschiedene Wege: Kubuntu und Lubuntu verwenden Calamares, die übrigen das bekanntere Ubiquity aus dem Hause Canonical. Beide Installer haben einen eingebauten Partitionierer und die Option der proprietären Drittanbieter-Software. Ob der Installer das Angebot der „minimalen Installation“ macht, entscheidet die Distribution: Calamares bietet unter Lubuntu keine „Minimale Installation“, unter Kubuntu schon. Unter Xubuntu verzichtet wiederum Ubiquity auf diese Option.
Das Upgrade von Ubuntu-Versionen
Wie schon im Haupttext angesprochen, sind Ubuntu-Zwischenversionen wie die aktuelle 19.04 trotz ihres kurzen Supportzeitraums keine Sackgasse. Seit Jahren bietet Canonical einen zuverlässigen Upgradepfad zur jeweils nächsthöheren Version. Damit die Nachfolgeversion am Desktop angeboten wird, gehen Sie unter „Anwendungen & Aktualisierungen“ auf „Aktualisierungen“ und wählen neben „Über neue Ubuntu-Versionen benachrichtigen“ die Option „Für jede neue Version“. Für Ubuntu 19.04 ist dies notwendig, denn bis zu der erst in einem Jahr erscheinenden Langzeitversion 20.04 wird diese Version nicht mit Updates versorgt. Ein Upgrade auf Version 19.10 im Herbst 2019 ist daher unumgänglich. Der Terminalbefehl
sudo do-release-upgrade -d
ist eine einfache Alternative zum Auslösen eines Upgrades, sobald eine neue Version vorliegt. Am besten starten Sie diesen Befehl nicht im grafischen Terminal, sondern in der virtuellen Konsole (Strg-Alt-F1).
Wer bislang die Zwischenversion Ubuntu 18.10 nutzt, kann jetzt auf den genannten Wegen auf 19.04 upgraden.
Achtung – alles 64 Bit! Beachten Sie, dass sich ab sofort auch die kleineren Varianten Lubuntu und Xubuntu von der 32-Bit-Architektur verabschieden. Ein Upgrade von 32-Bit-Systemen ist folglich nicht mehr möglich.
Achtung – Ubuntu 14.04 LTS ist abgelaufen: Die im April 2014 erschienene Langzeitversion (LTS) von Ubuntu ist soeben im April 2019 abgelaufen. Verlängerten Support in Form von Updates gibt es für diese Version nur noch kostenpflichtig. Wer noch ein 14.04 im Einsatz hat, sollte daher spätestens jetzt auf den LTS-Nachfolger 16.04, eventuell von dort weiter auf 18.04 LTS upgraden.
Ubuntu 19.04: Die Gnome-Hauptausgabe
Ubuntu 19.04 liegt mit der brandaktuellen Version 3.32 des Gnome-Desktops (64 Bit). Gnome 3.32 hat vor allem an der Leistung von Animations- und Zoomeffekten gefeilt. Äußerlich bleibt es bei den bekannten Gnome-Anpassungen Canonicals mit positionierbarer Favoritenleiste („Dock“) und einem Desktop als Dateiablage. Für tiefere Gnome-Anpassungen sind traditionell das Tool Gnome-Tweaks („Optimierungen“) sowie der Dconf-Editor zuständig. Letzteres gilt auch für das neue, noch als experimentell bezeichnete „Fractional Scaling“, das nun auch unter dem X11-Fenstermanager (unter Wayland ist es Standard) ein Skalieren der Auflösung erlaubt. Die Einstellung erfolgt im Dconf-Editor unter „org –› gnome –› mutter –› experimental- features“ mit dem Wert „x11-randrfractional- scaling“ und zeigt sich dann sofort unter „Systemeinstellungen –› Anzeigegeräte“. Stufenloses Skalieren ist damit nicht möglich, sondern nur die vorgegebenen Werte 100, 125 und 150 Prozent.
Gnome und der Dateimanager Nautilus nutzen unter der Haube den Suchdienst Tracker. Die neuerliche Tracker-Integration ist deshalb bemerkenswert, weil diese bei den Ubuntu-Vorgängern seit Version 17.04 fehlerbehaftet war. Die Gnome-Erweiterung Gsconnect – das Gnome-Pendant zu Kdeconnect für die einfache Verbindung von Android-Smartphones – ist weiterhin nur extern über das Softwarecenter und die Standard-Paketquellen zu erreichen.
Die Hauptausgabe mit Gnome ist die anspruchsvollste Ubuntu-Variante: Version 19.04 fordert ab Start mindestens ein GB RAM und eignet sich nur für halbwegs moderne Hardware.
Tipp: Linux-Systemstart beschleunigen
Kubuntu 19.04 mit KDE Plasma
Kubuntu 19.04 mit KDE Plasma 5.15 erneuert praktisch ausschließlich den Unterbau mit Kernel 5.0. Die restlichen Änderungen sind marginal: Im (Calamares-)Installer gibt es jetzt auch die „Minimale Installation“, die als größere Software nur den Webbrowser Firefox mitbringt. Eine optionale Wayland-Anmeldung wie bei der Gnome-Hauptedition ist angekündigt, aber in der uns noch als Beta vorliegenden Distribution nicht realisiert.
Das ehemals als besonders ressourcenhungrig kritisierte Kubuntu gehört mittlerweile zur moderaten Mittelklasse: Version 19.04 nimmt sich ab Start nur etwa 600 MB, sollte aber mit seinem anspruchsvollen KDE Plasma dennoch auf aktuellerer Hardware und Prozessoren treffen.
Ubuntu Mate 19.04
Die Mate-Edition 19.04 bezeichnet sich als bescheidenes Upgrade mit Fokus auf Hardwaresupport (Kernel) und Bugfixes. Die Distribution verzichtet aus Stabilitätsgründen auf die allerneueste Version 1.22 des Mate-Desktops, mit dem etliche Programme aktuell nicht zurechtkommen. An Bord ist daher das ältere Mate 1.20. Verbessert wurde hier das „Mate Dock Applet“, ein Favoritenstarter für die Systemleiste, der sich optisch am verblichenen Unity-Desktop orientiert. Wichtiges Bediendetail ist hier, dass sich gestartete Programme nicht durch Rechtsklick anheften oder entfernen lassen, sondern durch ein Mouseover – ohne Klick: Dann erscheint die Option „Pin […]“ oder „Unpin […]“. Ubuntu Mate 19.04 ist mit 700 MB Eigenbedarf kein ausgesprochenes Leichtgewicht mehr.
Xubuntu 19.04 mit XFCE-Desktop
Wer vom XFCE-Desktop Neuigkeiten erwartet, verkennt die Tatsache, dass auch Software einmal fertig wird. Beim aktuellen XFCE-Desktop 4.12 in Ubuntu 19.04 hat sich vier Jahre gar nichts geändert, die Jahre zuvor auch nur wenig. Xubuntu ist am Desktop etwas altmodisch, aber absolut ausgereift, funktional und logisch. Zu den marginalen Änderungen gehören ein leicht verbessertes Audioapplet in der Systemleiste und einige zusätzliche Hotkeys für den Dateimanager Thunar.
Die größte Neuigkeit in Xubuntu 19.04 liegt daher woanders, nämlich in der Aufgabe einer 32-Bit-Variante. Als 64-Bit-System fordert Version 19.04 etwa 500 MB und gehört damit immer noch zu den Kandidaten für ältere Hardware.
Siehe auch: Linux-Zweitsysteme für Spezial-Einsatzzwecke
Lubuntu 19.04 mit LXQT-Desktop
Lubuntu vollzog vor einem halben Jahr seinen Schritt vom LXDE- zum LXQT-Desktop (mit Version 18.10). Dies bedeutete den Abschied von Lubuntu aus der Ökoliga der extrem sparsamen Linux-Distributionen zugunsten eines moderneren Desktops. Mit annähernd 500 MB RAM liegt Lubuntu nur noch knapp unter einem Xubuntu. Dazu passt die Entscheidung, ab dieser Version 19.04 nur noch ein 64-Bit-System anzubieten. Als Sitzungsauswahl gibt es bei der Anmeldung aber auch noch das spartanische Openbox. LXQT ist in der neuesten Version 0.14.1 vertreten, das allerdings nur kleine Verbesserungen für den Dateimanager Pcmanfm verspricht.
Ubuntu Budgie 19.04
Verglichen mit den anderen Ubuntu- „Flavours“ zünden die Release Notes von Ubuntu Budgie 19.04 geradezu ein Feuerwerk . Das muss man relativieren, da es sich größtenteils um kleinteilige Marginalien handelt, aber unterm Strich ist die aufstrebende Budgie-Variante zweifellos das innovativste Ubuntu 19.04. Auf Wunsch der Nutzer wurde der eher spartanische Nautilus durch den Dateimanager Nemo ersetzt und in den Desktop integriert. In den „Budgie Desktop Einstellungen“ gibt es eine erweiterte Themenauswahl und die Seitenleiste „Raven“, die sich rechts ausklappt, bietet genauere Kontrolle über Audiogeräte für Ein- und Ausgabe. In der Systemleiste erscheint standardmäßig ein von den Budgie-Machern erstelltes Applet für Caffeine, um Stromsparfunktionen vorübergehend außer Kraft zu setzen.
Für den Wechsel von virtuellen Desktops setzt Budgie mit Strg-Alt-Cursor-rechts/ links inzwischen auf vertraute Standards. Zahlreiche weitere Detailanpassungen wie die Option der Fensterfokussierung durch Mouseover zeigen, dass der Budgie-Desktop in Version 10.5 aktiv in Arbeit ist und dabei noch so manchen Standard nachholen muss, den man von anderen Desktops schon lange kennt. Ubuntu Budgie 19.04 bietet einen klaren, aufgeräumten und attraktiven Desktop mit Ambitionen wie Mints Cinnamon und relativ hohen Ansprüchen (800 MB RAM).