Keine Frage, vor allem die sozialen Netzwerke sind ideale Plattformen zur Selbstdarstellung in Wort und Bild. Allerdings liegen hier gelungene Eigendarstellungen und totale Blamagen so eng beieinander wie sonst nirgendwo. Ein mißglücktes Foto, und schon bricht mindestens im „Freundeskreis“ ein Shitstorm los; das negative Image ist nur mühsam zu korrigieren. So mag zwar das Selbstporträt mit 2,5 Promille und der Sanitärkeramik im Arm für den Augenblick sehr lustig sein, aber spätestens nach dem Abklingen des Katers ist es nur peinlich. Zu dumm, dass Facebook das ziemlich egal ist und spätestens nach wiederholtem Teilen sogar der Chef am Exzess visuell teilhaben darf. Hohn und Spott sind garantiert, der Ruf ramponiert.
Selbstpräsentation
Dass spontane Fotos, vor allem solche unter Alkoholeinfluss, und soziale Netze nicht unbedingt gut zusammenpassen, ist nicht wirklich neu. Aber es geht eben auch anders, denn Sie können Facebook & Co für Ihre Selbstdarstellung ganz gezielt instrumentalisieren.
„Seht her, das bin ich! Und ich bin kreativ, extrovertiert, hilfsbereit, zupackend, organisiert, geschäftstüchtig!“ Oder was auch immer die positiven Eigenschaften sind, die Sie gerne betonen möchten. Dazu allerdings lohnt es sich, ein paar Regeln zu beachten und etwas Energie in das Selbstbildnis zu investieren.
Die geheimen Tricks der Profi-Fotografen
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Gruppenselfies
Selfies mit mehreren Personen sind grundsätzlich immer eine schöne Sache, denn sie zeigen, dass man ein Sozialleben hat und offenbar mit anderen Menschen einigermaßen vernünftig zurechtkommt. Allerdings sollte man ungefähr wissen, mit wem man da später zu sehen sein wird. Es ist wenig angenehm, plötzlich gefragt zu werden, was man denn mit jemandem zu tun habe, der dann später beispielsweise durch zweifelhafte politische Agitation auffällig geworden ist.
Selfies mit der Digicam
Sich selber mit der Digitalkamera zu fotografieren, ist etwas problematisch,auch wenn Menschen das in der Vergangenheit immer wieder gemacht haben. Es ist allerdings fast unmöglich, den Bildausschnitt exakt zu bestimmen, weil es an einer Kontrollmöglichkeit mangelt, solange die Kamera kein Schwenkdisplay besitzt und zudem der Zoom das Ganze nicht unbedingt vereinfacht. Allein schon deshalb nicht, weil rein ergonomisch normale Kameras nicht dafür vorgesehen sind, sozusagen von vorne bedient zu werden. Die Konsequenz waren dann die typischen „Spiegelfotos“, im schlimmsten Fall noch mit Blitz und der Kamera vor dem Gesicht. Natürlich gibt es auch Möglichkeiten, mit einer fernbedienbaren Digicam echte Selbstporträts zu machen, aber das ist dann zu viel der Inszenierung. Es nimmt dem Selfie komplett den spontanen Charakter und ist letztlich auch vom „Workflow“ her eigentlich nicht das richtige Vorgehen. Denn letztlich muss dann erst das Foto via Smartphone von der Kamera abgerufen werden, und wird dann erst vom Handy auch ins Web geschoben. Was bei einer eventuell 6 MB großen Datei nicht immer ganz unproblematisch ist. Insofern ist das Smartphone, sofern es zwei halbwegs brauchbare Kameras besitzt, das Aufnahmegerät der Wahl. Allerdings auch nicht immer ganz ohne eine vernünftige Vorbereitung.
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Das richtige Licht
Ein Smartphone besitzt in aller Regel nicht die lichtstärkste Optik und auch keinen gut dosierbaren Blitz. Deshalb sollten Sie eine helle Umgebung für Ihr Selfie suchen. Allerdings sollte es auch kein Spiegelkabinett sein, in dem es überall blinkt und funkelt, denn das macht die Belichtung ziemlich unkontrollierbar. Tageslicht ist in dem Zusammenhang nicht die schlechteste Option; wenn möglich, gehen Sie also vor die Tür oder auf den Balkon.
Der richtige Hintergrund
Hier stellt sich die Frage: Geht es nur um Sie oder geht es um Sie an einem bestimmten Ort? Im ersten Fall können Sie sich je nach gewünschtem Charakter des Bildes eher eine dezente Wand oder draußen auch eine Wiese suchen. Soll es flippiger werden, bietet sich ein schrillerer Hintergrund an. Aber Achtung: Nicht alles, was flippig ist, ist bedeutungslos. Eine 70er-Jahre-Tapete wird man sicher nicht überbewerten, aber wer sich beispielsweise vor einem Plakat oder Graffiti ablichtet, kann davon ausgehen, dass der Hintergrund selbst eine Aussage besitzt, mit der man womöglich in Verbindung gebracht wird. Spielt der Ort, an dem Sie sich befinden, eine wichtige Rolle und soll er auf dem Selfie erkennbar sein, so wählen Sie eine besonders charakteristische Stelle. So wäre es denkbar, dass man bei einem Selfie aus Berlin noch schemenhaft im Hintergrund Teile des Brandenburger Tors erkennen kann. Oder aber auf dem Nürburgring noch einen Teil des Autos, in dem Ihnen gleich auf der Rennstrecke schlecht wird. Ihnen sollte allerdings auch bewusst sein, dass Selfies an bestimmten Orten ein absolutes No-Go sind: Friedhöfe etwa gehören dazu, aber auch andere Orte, an denen es eher pietätvoll zugehen sollte. Grundsätzlich ist dem Selfie ja eine gewisse Extrovertiertheit immanent, deshalb sollte das Smartphone in der Tasche bleiben, wenn eher Zurückhaltung angezeigt ist. Achten Sie außerdem auf Personen im Hintergrund. Womöglich wollen die überhaupt nicht mit aufs Bild, sondern sind nur per Zufall da. Oder aber, sie wollen unbedingt mit aufs Bild, was Sie aber überhaupt nicht gut finden.
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Die Bildaussage
Neben der Wahl des richtigen Ortes ist die Frage, was eventuell noch ausdrücken oder zeigen möchten. Die Bildaussage kann natürlich auf ein „Ich bin in oder bei XYZ“ beschränkt sein, aber vielleicht möchten Sie auch noch zeigen, dass Sie mit jemandem vor Ort sind, etwas Bestimmtes machen oder kaufen. Dann sollte das in irgendeiner Form mit aufs Bild. Falls Sie beispielsweise gerade etwas Tolles kochen,spricht nichts dagegen, ein Foto zu machen, wie Sie gerade Gemüse schneiden oder im Topf rühren wollen. Möchten Sie der Welt noch zeigen, dass Sie nicht nur gerne kochen, sondern auch hochwertiges Küchengerät zu schätzen wissen, dann halten Sie beispielsweise Ihr japanisches Kochmesser mit in die Kamera. Oder, wie im Bild hier, die Einkaufstaschen nach einem erfolgreichen Einkaufsbummel.
Fotografieren ohne Automatik – so geht’s
Der Gesichtsausdruck
Vergessen Sie nicht, dass ein Selfie immer einen Ich-Bezug hat, der vom Betrachter des Fotos eventuell auch als Narzissmus interpretiert werden kann, dann also nicht gerade vorteilhaft ist. Wenn Sie nun zu allem Überfluss noch einen Gesichtsausdruck wählen, der besonders cool wirken soll, strahlt das Foto entweder Arroganz aus oder sieht gezwungen aus. Versuchen Sie also, einfach natürlich und nicht gestellt herüberzukommen. Falls Sie sich nicht gerade beim Relaxen in der Hängematte präsentieren wollen, ist eine gewisse Körperspannung sinnvoll. Und ein natürlich freundlicher Gesichtsausdruck ist ebenfalls nicht verkehrt, schließlich wollen Sie ja positiv wirken. Sicherlich können Sie auch bis zu einem gewissen Grad negative Emotionen transportieren, aber es macht garantiert überhaupt keinen guten Eindruck, wenn Sie sich mit Bluthochdruck und Zornesfalten auf der Stirn fotografieren. Deshalb sollten Sie Ärger oder Unzufriedenheit nur dann zum Ausdruck bringen, wenn Sie es mit einem Augenzwinkern und eventuell humorvoll überspitzt darstellen können. Für Schmollmund und übertriebenes Posieren gilt dasselbe: Wenn Sie auf dem Bild transportieren können, dass Sie sich dabei selbst nicht ganz ernst nehmen, ist es in Ordnung. Wenn nicht, dann verzichten Sie besser darauf.
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Die Aufnahme
Verwenden Sie möglichst die Kamera auf der Display-Seite, auch wenn die oft qualitativ nicht ganz mit der rückwärtigen mithalten kann. Aber nur so können Sie auch wirklich kontrollieren, wie das Endergebnis aussieht. Stellen Sie Belichtungskorrektur um eine Stufe nach oben, dann wird die Aufnahme etwas heller; das allerdings funktioniert nicht bei jedem Smartphone mit der Kamera auf der Display-Seite. Strecken Sie den Arm so weit wie möglich aus, aber nicht unbedingt so,dass er unnötig stark ins Bild läuft. Passt alles, denken Sie an den richtigen Gesichtsausdruck und lösen Sie aus. Ein Tipp zur Perspektive: Besser sehen Selfies normalerweise aus, wenn Sie die Kamera gerade oder leicht schräg oben halten; Aufnahmen von unten betonen die Kinn- und Mundpartie sehr stark und lassen den Kopf bei zu starker perspektivischer Verzerrung auch gerne eiförmig erscheinen. Ein gutes Selfie ist schnell gemacht, aber dafür sollten Sie ein wenig über das „Was, Wie und Wo“ nachdenken. Dann bekommen Sie ein Selbstbildnis hin, das Sie auch so zeigt, wie Sie sich selber sehen oder von anderen gesehen werden wollen. Wichtig ist, dass Sie keinen Platz für eine negative Auslegung lassen, denn ob Sie wollen oder nicht: Das Web wird Ihr Selfie verreißen, wenn es einen Angriffspunkt gibt. Und damit rechnet nicht jeder, nicht jeder ist über solche Kritik erhaben. Deshalb – erst kurz planen, dann knipsen.